Berlin, 22.05.2024
Zur Beschlussempfehlung des Jugendhilfeausschusses(JHA) vom 14.05.2024:
In der letzten Jugendhilfeausschusssitzung am 14.05.2024, die sich mit der Kündigung der Leistungsverträge für den Betrieb der Mädchen*-Einrichtungen ALIA und PHANTALISA bei FRIEDA e.V. befasst hat, wurde mehrheitlich eine Beschlussempfehlung abgestimmt. Darin wird das Jugendamt aufgefordert, die außerordentliche Kündigung der Leistungsverträge zurückzunehmen, um ein geordnetes Verfahren einzuleiten.
Außerdem wurden in dem Schreiben Erwartungen des Jugendhilfeausschusses einerseits für FRIEDA als Trägerverein und andererseits für die Mitarbeiter*innen der Einrichtungen auferlegt, um die Weiterführung der Arbeit in den Einrichtungen unter der Trägerschaft von FRIEDA e.V.zu ermöglichen. Diese sind unter anderem:
- eine „öffentliche Distanzierung des Trägers “von antisemitischen Äußerungen und Haltungen” sowie davon “das Existenzrecht Israels grundsätzlich abzusprechen“
- die Pausierung der Dienstaufsicht sowie der fachlichen Weisungsbefugnis „unter Verdacht stehende[r] Mitarbeiter*innen und Leitungen des Trägers […], bis die Vorwürfe geklärt sind“
- die Erarbeitung eines Konzepts, „um weiteren Schaden von der Zielgruppe abzuwenden“, welches beinhalten soll, dass sichergestellt wird, dass die Einrichtungen für alle Mädchen* und jungen Frauen* offen sein sollen, Pädagogik im Kontext der grundsätzlichen Neutralität in der Sozialen Arbeit umgesetzt werden soll und der soziale Frieden und die Arbeitsfähigkeit wiederhergestellt werden sollen.
Wir möchten darauf hinweisen, dass diese Erwartungen an den Träger nicht nur sehr unkonkret sind, sondern auch erneut Anschuldigungen und Unterstellungen beinhalten, welche keine rechtliche oder fachliche Basis haben.
Auch wenn diese Beschlussempfehlung vom JHA ausgesprochen wurde, liegt die Verantwortung für die Umsetzung einer Neuaufsetzung der Leistungsverträge für beide Einrichtungen in den Händen des Jugendstadtrats Kindler und des Jugendamts Friedrichshain-Kreuzberg. Schon in der Jugendausschusssitzung hatte Kindler klargestellt, dass er – falls eine Beschlussempfehlung vom JHA abgestimmt wird, die die Rücknahme der außerordentlichen Kündigung fordert – diese von der Rechtsabteilung des Jugendamts prüfen lassen würde.
Somit bleibt die Situation vor Ort in den Einrichtungen unverändert, während die rechtliche Überprüfung von Seiten der Jugendförderung noch aussteht.
Die Voraussetzungen, die in den „Auflagen“ in der Beschlussempfehlung des JHA stehen, können von den Mitarbeiter*innen der Einrichtungen nur dann erfüllt werden, wenn neue Leistungsverträge aufgesetzt werden, auf deren Basis sie weiterarbeiten können. Andernfalls ist der Verein gezwungen, durch die fehlende Finanzierung von Seiten der Jugendförderung, eine betriebsinterne Kündigung der Arbeitsverhältnisse aller Mitarbeiter*innen zum Ende dieses Monats (31. Mai 2024) zu veranlassen.
Es gab nach dem 14.05.24 keine weitere Kommunikation zwischen dem Jugendamt und FRIEDA e.V..
JHA-Sitzungen und Darstellung der Beschlussempfehlung in Öffentlichkeit:
Am 15.05.2024 wird von der Bild-Zeitung ein Artikel mit dem Titel: „Mädchenzentren von Israel-Hasserinnen sollen wieder öffnen“ veröffentlicht.
Die Geschäftsführung sowie die Vorstandsmitglieder von FRIEDA e.V.haben in den unterschiedlichen JHA-Sitzungen wiederholt betont, dass im Verein sowie in den Einrichtungen nach intersektionalen, queerfeministischen, gendersensiblen Ansätzen gearbeitet wird, die sich gegen alle (miteinander verschränkten) Formen von Diskriminierung stellen. Darunter selbstverständlich Rassismus, Antisemitismus, Queerfeindlichkeit, Sexismus, Klassismus und alle weiteren. Dieser intersektionale Ansatz ist nicht nur fester Bestandteil der Konzeption der beiden Einrichtungen, sondern findet sich ebenso in der theoretischen sowie praktischen Arbeit in den Einrichtungen wieder.
Die praktische Arbeit wird außerdem stets von der Jugendförderung (durch eine zugeteilte zuständige Person) begleitet, sodass die Themen, Schwerpunkte, Projekte usw. der Einrichtung der Jugendförderung bekannt sind. Diese sind in Zielvereinbarungen verankert, werden in Halbjahres- und Jahresendegesprächen besprochen und das ganze Jahr über eng begleitet. Die Darstellung, dass sich nicht alle Besucher*innen der Einrichtungen sicher fühlen können und/oder von Mitarbeiter*innen so beeinflusst werden, dass ihre autonome Persönlichkeitsentwicklung gefährdet ist, ist schlichtweg falsch und extrem problematisch. Sie bezieht sich lediglich auf Vorwürfe und Anschuldigungen, die vom Jugendstadtrat Kindler gegen Mitarbeiter*innen und Geschäftsführung erhoben wurden und keine rechtliche Grundlage haben.
Die Fachlichkeit und Professionalität wird dem Fachpersonal einfach aberkannt, ohne dass ein Gutachten über die eigentliche inhaltliche Arbeit in den Einrichtungen erstellt wurde.
In derselben JHA-Sitzung wurde ebenfalls öffentlich gemacht, dass, um weiteren Schaden vom Verein abzuwenden, der durch die Anschuldigungen und Vorwürfe gegen die Projektkoordinatorin des Vereins entstanden ist, diese im Gespräch mit dem Vorstand zusammen entschieden haben, das Arbeitsverhältnis mit ihr fristgerecht zu beenden. Ebenso wurde ausgeführt, dass sie sich aktuell nicht mehr im Dienst befindet.
Die öffentliche Darstellung der Beschlussempfehlungen suggeriert, dass lediglich der Trägerverein und die Mitarbeiter*innen diese akzeptieren müssen, damit eine Wiederaufnahme der pädagogischen Arbeit erfolgen kann. In Wahrheit liegt es jedoch an Herrn Kindler und dem Jugendamt, nicht nur die Beschlussempfehlung zu akzeptieren, sondern auch die Neuaufsetzung der Leistungsverträge (und deren Inhalte).
Die öffentliche Darstellung in den Medien verzerrt das Bild und die Realität der aktuellen Situation.
Zur aktuellen Situation:
Am 17.05.2024 wurde ohne Absprache mit dem Jugendhilfeausschuss oder dem Verein FRIEDA e.V.ein Aushang am Tor des Außengeländes unserer Einrichtung A– Raum für Mädchen* und junge Frauen* angebracht. Ebenfalls wurde im Laufe des Tages durch einen Mitarbeiter vom Jugendhaus CHIP aus Berlin-Kreuzberg ein Schreiben an die Projektleitung des Mädchenzentrums ALIA übergeben. In diesen Schreiben informiert die Jugendförderung Besucher*innen, Eltern und Interessierte darüber, dass aufgrund der vorübergehenden Schließung der Einrichtungen die regulären Angebote dieser Einrichtungen derzeit entfallen, und weist auf alternative Angebote für Mädchen* im Bezirk hin.
Trotz Bemühungen des Jugendhilfeausschusses (in insgesamt vier mehrstündigen Sitzungen) eine Lösung zu finden, hat die Jugendförderung mit dem am 17.05.2024 veröffentlichten Aushang Fakten geschaffen, die nicht auf ein ernsthaftes Interesse oder Kooperationsbereitschaft für einen Klärungsprozess hinweisen.
Wir sind irritiert über diesen Aushang und möchten gerne wissen, wieso dieser verteilt wurde. Wie kann es sein, dass dieser erstellt wurde, nachdem der Jugendhilfeausschuss eine klare Empfehlung formuliert hat, dass die Kündigung von ALIA und PHANTALISA unter der Trägerschaft von FRIEDA e.V.zurückgenommen werden soll? Zudem sind die Empfehlungen des Aushangs über alternative offene Kinder- und Jugendeinrichtungen keinesfalls Alternativen für die Besucher*innen, da keine der offenen Kinder- und Jugendeinrichtungen spezifische queerfeministische Mädchenarbeit anbieten. Wir sind sehr besorgt darüber, dass den Besucher*innen von ALIA und PHANTALISA seit Langem verwehrt wird, intersektional, queerfeministisch sensibilisierte offene Angebote im Bezirk zu erhalten.
Wir fragen uns, ob dieses Handeln im Sinne der Besucher*innen ist und ob dieses Vorgehen die Vorstellung von respektvoller Kommunikation in den Augen der Verwaltung entspricht. Erneut setzt sich die Jugendförderung über den JHA hinweg sowie über die direkte Kommunikation mit dem Verein.
Sieben Tage nach dem Beschluss gibt es nach wie vor keine Kommunikation seitens der Jugendförderung bzw. Jugendstadtrat Kindler bezüglich der nächsten Schritte, die in der Beschlussempfehlung vorgegeben wurden. Es entsteht zunehmend der Eindruck, dass der unbegründete Verdacht den Mitarbeiter*innen des Vereins gegenüber dazu genutzt wird, die Zeit verstreichen zu lassen, um aktuelle Mitarbeiter*innen so geräuschlos wie möglich von ihren momentanen Positionen und Aufgaben zu entfernen. Die Arbeitsverträge der Mitarbeiter*innen laufen, aufgrund der Kündigung der Leistungsverträge, betrieblich bis zum 31.05.2024 aus. Die Arbeitsverträge der in den Einrichtungen arbeitenden Mitarbeiter*innen enden, wie oben erwähnt, aufgrund der noch nicht ausgezahlten Mittel bis Ende des Monats in 9 Tagen.
Sollte Jugendstadtrat Kindler das Vorgehen des demokratischen Gremiums (Jugendhilfeausschuss) würdigen und tatsächlich das Wohlergehen der Besucher*innen im Sinn haben, wie in der Kündigung dargestellt wurde, so sollte die Beschlussempfehlung schnellstmöglich umgesetzt werden, um die Arbeit in den Einrichtungen mit den dort beschäftigten Mitarbeiter*innen unter der Trägerschaft von FRIEDA e.V. wieder aufzunehmen.
Email: frieda@frieda-frauenzentrum.de
Instagram: @frieda_frauenzentrum